Die Molli ist ein tauschlogikfreies Café, das auch als Kiosk dient, im Bahnhofsgebäude von Salzderhelden in Südniedersachsen – und ein Commons. Denn die Molli orientiert sich komplett am Konzept der Tauschlogikfreiheit: Es gibt keine festen Preise, sodass alle Menschen die Möglichkeit haben, das Angebot des Kiosks zu nutzen. Also auch jene ohne Geld. Umgekehrt verlangt niemand Lohn für die Betreuung der Molli. Miete muss nicht gezahlt werden, da die Stadt Einbeck als Eigentümerin des Bahnhofs die Räumlichkeiten umsonst zur Verfügung stellt. Denn ein wirtschaftlich orientierter Betrieb an diesem Ort wäre schwer umsetzbar. „Deshalb freut sich die Stadt, dass wir den Ort beleben“, erzählt Lotte Herzberg, die seit der Neugründung im Sommer 2021 dabei ist.
Und vermutlich erfreut die Stadt auch, dass von den Molli-Betreibenden die Bahnhofstoiletten saubergehalten werden. Die weiteren anfallenden Kosten, wie Lebensmittel und Strom, decken sich inzwischen über den laufenden Betrieb der Molli. Obwohl es keine festen Preise gibt, geben oder spenden Menschen genügend Geld. Ein weiterer Unterschied zum namensgleichen Vorgängerkiosk: Alle Lebensmittel hier sind vegan und drogenfrei. Das erschwert einigen ehemaligen Nutzenden den Umstieg, denn vorher bestand das Kernangebot aus Bier, Bild-Zeitung, Zigaretten und Fleischkäsebrötchen. Als der Kiosk geschlossen wurde, entstand unter jungen Leuten die Idee, einen Kiosk nach anderen Selbstverständlichkeiten zu gestalten.
Da Lotte vorher bereits in der Gastronomie gearbeitet hatte, wusste sie, dass sie Spaß daran hat. Ziel war und ist zudem, Menschen mit neuen Ideen zu inspirieren. „Ich finde es auch wichtig, dass es Orte gibt zu denen Menschen einfach hinkommen können. Im Kiosk gibt es deshalb keinen Konsumzwang. Du kannst dich einfach hinsetzen, ohne etwas essen oder trinken zu müssen. Der Ort soll möglichst für alle zugänglich sein.“ Das entspricht auch Lottes Version für ländliches Leben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. „Ich wünsche mir, dass wir sowohl in den Dörfern als auch in den Städten verstärkt öffentliche Räume gestalten, die für alle zugänglich sind und die von der Konsum- und Privatisierungslogik abgekoppelt werden. Es braucht Räume, an denen sich Menschen begegnen können, an denen Veranstaltungen stattfinden und an denen neue Selbstverständlichkeiten gelebt werden. Ich wünsche mir, das regionale Strukturen gestärkt werden, um die Lebensqualität im ländlichen Raum zu erhalten.“
Die Lebensqualität in Salzderhelden wird seit einiger Zeit sogar zusätzlich durch die Molli erhöht: durch den in den hinteren Räumlichkeiten angesiedelten Salzstreuer, einen tauschlogikfreien Foodcoop-Verteiler. Hier gibt es Trockenwaren in Großgebinden von regionalen Landwirten, selbstgemachte Marmeladen und selbstgeerntetes Gemüse – von allen für alle.