Commoning – Ein einordnender Impuls

Johannes Euler

Commons bezeichnen Produkte und Ressourcen (Code, Wissen, Nahrung, Energiequellen, Wasser, Land, Zeit u. a.), die aus selbstorganisierten Prozessen hervorgehen. Damit können auch Geschichten als Commons gelten: Märchen wurden erzählt, weitergegeben, geteilt, verändert, und gehörten dabei allen und niemandem. Bis die Gebrüder Grimm einige aufgeschrieben haben. Dadurch wurden diese zwar gesichert, aber auf eine Version beschränkt und eingefroren. Letztlich wurden die Märchen privatisiert, eingehegt.

Das ist auch mit ganz vielen anderen Commons so gewesen, nicht zuletzt dem Land und dem Wald. Im Mittelalter wurden erst Pachtzahlungen für das bebaute Land eingeführt, und später durfte das „einfache Volk“  nicht mehr in den Wäldern jagen, Pilze sammeln, Feuerholz holen – was aber für die Sicherung ihrer Lebensgrundlagen wesentlich war. So wurden sie gezwungen, in die Städte zu gehen und immer mehr gegen Lohn zu arbeiten.

In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wurden Commons lange ignoriert oder diskreditiert. Die sogenannte Tragik der Allmende ist hier das Paradebeispiel. Die Wirtschaftswissenschaften lehrten, dass Commons scheitern müssten, weil Menschen dazu neigen würden, sie zu übernutzen. Dieses Argument hat das Bild von Commons jahrzehntelang geprägt und wirkt noch heute nach. Auch wenn es empirisch nie gestimmt hat und inzwischen wissenschaftlich eindeutig widerlegt ist.

Elinor Ostrom hat hunderte Fälle gesammelt und ausgewertet, bei denen Menschen über viele Jahrzehnte erfolgreich Commons genutzt und gepflegt haben, ohne diese zu übernutzen. Aus ihren Forschungen hat sie acht sogenannte Designprinzipien gezogen: Dazu gehören unter anderem: dass klar ist, was und wer dazugehört; dass die Commoner ihre Regeln selbst setzen können; dass sie darauf achten und dafür sorgen, dass diese auch eingehalten werden; und dass sie Konflikte selbst lösen können.

Ich kann einen Liter Wasser in eine Flasche füllen und verkaufen oder es teilen, ich kann einen Teich zum Baden für alle nutzen oder einen Zaun drum herum bauen und Eintrittspreise verlangen. Commons ist also keine bestimmte Güterart, wovon vielfach ausgegangen wird, sondern primär eine soziale Praxis. Und hier setzt das Commoning an. Es bezeichnet selbstorganisiertes und bedürfnisorientiertes gemeinsames Produzieren, Verwalten, Pflegen und/oder Gebrauchen. Dabei bringen die Beteiligten ihre Fähigkeiten ein und bestimmen miteinander über Art und Umfang des Umgangs mit den Ressourcen und Produkten. Wichtig ist dabei, dass Menschen nicht gezwungen werden beizutragen, etwa wie beim Militärdienst oder auch bei der Lohnarbeit.

Stattdessen tragen Menschen bei, worauf sie Lust haben, wozu sie sich bereit erklärt haben, was ansteht – zwischen Lust, Vereinbarung und Notwendigkeit. Es geht also um Beitragen statt Tauschen. Und es geht um Besitz statt Eigentum. Denn bei Commons zählt, wer etwas tatsächlich braucht und gebraucht, und nicht das Recht zum Ausschluss anderer oder zum Zerstören. Dass wir das nicht mehr selbstverständlich finden, zeigt nur: Wir stecken so tief in unserer durch Marktlogiken geprägten Weltsicht, dass wir nicht einmal merken, dass es sich um eine Weltsicht handelt. Dabei zeigen Beispiele weltweit: Commoning steht für eine lokale Ökonomie, mit weitreichenden politökonomischen Unabhängigkeiten und hoher Resilienz. Bedarfe werden, so weit möglich und sinnvoll, vor Ort gedeckt, Überschüsse weitergegeben, Kaputtes repariert und Abfälle anderweitig verwendet.

Gleichzeitig ist Commoning auch international, digital, und beinhaltet die Möglichkeit, gesamtgesellschaftlich strukturbildend zu sein. Manche Dinge gehören eben auf Ebenen jenseits des Lokalen. Oder anders gesagt: Commoning ist glokal, es verbindet Lokales und Globales und zeigt dabei aber durchaus einen Hang zum Unmittelbaren, Direkten, Lokalen. Und das Entscheidende: Commoning beschreibt eine bestimmte Qualität im Miteinander, ist also eine bestimmte Art der lokalen Ökonomie: eine tendenziell bedürfnisorientierte, selbstbestimmte und selbstorganisierte.

weitere Symposien-Beiträge

Commons & Commoning – Impulse für eine transformatorische Wirtschaftstheorie

Die sozial-ökologische Transformation braucht eine neue Theorie, die zur Stärkung der transformativen Kraft sozialer Bewegungen beitragen kann. Dort müssen auch Kategorien erfasst werden, die nicht über den Markt erfolgen, wie zum Beispiel unentgeltliche Tätigkeiten. Das gilt besonders für die lokale Ökonomie. Sie ist geprägt von sozialen Beziehungen und Verflechtungen verschiedener Tätigkeiten. Hier werden Commons zentral. Denn das Commoning stellt die Sorge und das Vorsorgen ins Zentrum der Ökonomie, es beruht auf Kooperation statt Konkurrenz. Die Ausbeutung von Arbeitskraft ist im Commoning nicht möglich. Es wird freiwillig beigetragen. Statt immer mehr in kürzerer Zeit zu produzieren, wird zum Richtwert, was genügt. Damit birgt Commoning auch das Potential für ein vorsorgendes Naturverhältnis. (Prof. Dr. em. Adelheid Biesecker)

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Schnittstellen – Commoning und Bürokratie auseinanderhalten

In unserer bürgerlich-marktwirtschaftlichen Gesellschaft sind wir unvermeidbar mit Regularien und Bürokratie konfrontiert. Das Commoning, also das Gemeinschaffen, verfolgt eine andere Logik, in denen Menschen lebendige Visionen des Zusammenwirkens jenseits von Markt und Staat in die Welt bringen. Doch auch gemeinschaffende Projekte müssen sich in bestehende Rechts- und Verwaltungsstrukturen eingliedern. Auch Commons müssen Steuererklärungen machen, Fördermittel abrechnen oder sich mit dem Bauamt auseinandersetzen. Deshalb brauchen Gemeinschaften soziale Schnittstellen zwischen der Logik des Gemeinschaffens und jener der Behörden. (Andrea Vetter)

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Gerechte Beitragsbemessung

Wie kommt eine Gruppe miteinander klar? Wann fühlt sich etwas gerecht und ausgewogen an? Die Gründung von Gruppen und Gemeinschaften wie Commons ist eine menschliche Herausforderung und es gibt vieles zu beachten. Zu den wichtigsten Voraussetzungen in diesem Prozess zählen die gewaltfreie Kommunikation, gegenseitige Anerkennung und ein weiter Horizont. Gemeinsam sollte die Gruppe zunächst wichtige Fragen klären, zum Beispiel: Was kann ich mit Leichtigkeit geben? Wo sind meine Talente? Gleichzeitig sollte auch in einer Gemeinschaft jedes Individuum auf sich achten, Grenzen setzen, sich nicht zum Opfer machen, also mehr geben als jemand kann oder will. Nur dann wird ein ausgewogenes Miteinander möglich. (Lea Hinze)

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Gemeinschaftsgetragenes Wirtschaften und kollegiale Beratungsräume*

Lässt sich das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft auch auf andere Bereiche wie Dienstleistungen, Handwerk oder Gesundheit übertragen? Damit könnten wir unsere Versorgung gemeinschaftlich organisieren, das Risiko und die Verantwortung zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen teilen. Dieses Prinzip nennt sich CSX (aus dem Englischen: Community Supported Everything). Es basiert auf Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung. Die laufenden Kosten sind durch die Beiträge der Mitglieder gedeckt. (Charlotte von Wulffen)

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Selbstorganisierte Versorgungszentren als lokale Commons-Netzwerke

Commons-Netzwerke sind Zusammenschlüsse verschiedener Commons, also Gemeinschaftsprojekte, die sich gegenseitig unterstützen, dabei aber autonom bleiben. Genauso wie Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten einzelne Projekte bereichern, geschieht das auch mit Commons-Projekten in Commons-Netzwerken. So wird eine solidarische Ökonomie denkbar, die auf Freiwilligkeit und Selbstzueignung beruht und gleichzeitig Produkte und Leistungen mit komplexen Herstellungsketten ermöglicht. (Christian Schorsch)

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Commoning – Ein einordnender Impuls

Wenn aus selbstorganisierten Prozessen bestimmte Produkte entstehen wie zum Beispiel Wissen oder Nahrung, spricht man von Commons – aber auch bei Ressourcen wie Wasser, Energiequellen oder Zeit. Die Wirtschaftswissenschaften lehrten lange Zeit, dass Commons scheitern müssten, weil Menschen dazu neigen würden, sie zu übernutzen. Inzwischen ist das widerlegt. Die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Elinor Ostrom hat gezeigt, dass Menschen über viele Jahrzehnte erfolgreich Commons genutzt und gepflegt haben, ohne diese zu übernutzen. Voraussetzung dafür sind bestimmte Prinzipien. (Johannes Euler)

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Commoning von Markt und Tauschlogik unterscheiden

Tauschlogik – und damit jeder Markt – erzeugt künstlich Knappheit. Denn die Logik des Tausches bedeutet, Gleichwertiges zu tauschen. Stattdessen könnten wir Bedürfnisse basisdemokratisch befriedigen. Statt arbeiten zu müssen, wäre es möglich, die Vielfalt unserer Leidenschaft, in dieser Welt zu wirken, zu verwirklichen. Und statt dem Produktivitätszwang hinterher zu hechten, könnten wir für das Leben sorgen.
(Friederike Habermann)

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