Lokale Ökonomie & Commons
Kapitel 1
Ein Super-Markt
Johanna beugt sich über den Kassentresen. Mit routinierten Handgriffen erklärt sie einem neuen Genossenschaftsmitglied, wie man Pfand abrechnet. Denn wer in der Supercoop im Berliner Wedding einkaufen möchte, muss hier auch arbeiten. Drei Stunden geben alle Mitglieder ihrer Zeit im Monat für das Privileg mitbestimmen zu können, welche Produkte in den Regalen stehen, mit welcher Gewinn-Marge sie verkauft werden und bei dem wohl nachhaltigsten Supermarkt-Projekt Berlins mitwirken zu können.
Johanna lehnt sich lächelnd zurück. „Und das war’s auch schon. Gar nicht so schwer, oder?“ Das neue Mitglied nickt zustimmend, während es den Pfandbon entgegennimmt. Johanna lässt sich den Vorgang noch einmal vom Mitglied zeigen, bevor sie sich der nächsten Aufgabe zuwendet.
„Weißt du“, beginnt sie im Gespräch mit mir, während sie eine Kiste mit Äpfeln aus Brandenburg sortiert, „es geht hier um mehr als nur Einkaufen. Jeder Euro, den wir hier ausgeben, bleibt in unserer Nachbarschaft, unterstützt unsere Bäuer*innen und stärkt unsere Gemeinschaft.“ Sie ist von der Vision der Supercoop überzeugt, das merkt man sofort. „Früher gab es an jeder Ecke kleine Läden, in denen man sich kannte. Heute sind es gesichtslose Ketten. Wir wollen das ändern.“
Die Supercoop ist ein Gegenentwurf zu den großen Playern im Lebensmittelmarkt. Hier gibt es keine Dumpingpreise, keine meterlangen Regale voller Markenprodukte. Stattdessen setzt man auf regionale und saisonale Produkte, auf Transparenz und Fairness. „Wir zahlen unseren Bäuer*innen faire Preise, damit sie nicht gegen die Billigimporte aus aller Welt konkurrieren müssen“, erklärt Johanna. „Und wir wollen, dass unsere Mitglieder wissen, woher ihre Lebensmittel kommen und unter welchen Bedingungen sie produziert wurden.“
Und dann ist da noch die soziale Komponente des Marktes. Die Supercoop ist ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der gemeinsamen Verantwortung. „Wir wollen unabhängig sein von den großen Konzernen, die uns vorschreiben wollen, was wir essen sollen“, sagt Johanna mit fester Stimme. „Wir wollen ein Supermarkt sein, der von den Menschen vor Ort getragen wird, ein Ort, an dem jede*r mitbestimmen kann.“
Das alles macht die Supercoop zu mehr als nur einem Gegenentwurf bestehender Strukturen – sie ist ein lebendiges Beispiel für den sogenannten „Commons-Ansatz“.
Kapitel 2
Der Commons-Ansatz
Der Commons-Ansatz stellt eine Alternative zu traditionellen Eigentums- und Wirtschaftsmodellen dar. Er betont die Bedeutung von gemeinschaftlich genutzten Ressourcen und Gütern, die von der Gemeinschaft selbst verwaltet und gepflegt werden. Die Supercoop verkörpert diesen Ansatz, indem sie nicht nur ein Geschäft, sondern auch ein gemeinschaftlich getragenes Projekt ist, bei dem die Mitglieder gemeinsam Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen.
Dieser Ansatz geht über die reine wirtschaftliche Tätigkeit hinaus und umfasst auch soziale und ökologische Aspekte. Die Supercoop fördert nicht nur den Austausch von Waren, sondern auch den Austausch von Wissen, Fähigkeiten und Ideen. Sie setzt sich für nachhaltige Praktiken ein und unterstützt lokale Produzenten, um eine resilientere und gerechtere Lebensmittelversorgung zu schaffen. Der Commons-Ansatz zeigt, dass eine Wirtschaft, die auf Zusammenarbeit und gemeinschaftlichem Nutzen basiert, nicht nur möglich, sondern auch erfolgreich sein kann.
Der Commons Gedanke ist bei weitem kein neuer und genau das macht ihn so spannend. Die Commons-Community hat über Jahre hinweg die Commons-Mustersprache entwickelt und dabei diverse Ansätze in drei Kategorien geordnet.
Die Herausforderung des Commons-Ansatzes liegt in seiner Komplexität. Viele Gemeinden haben Schwierigkeiten, die Attraktivität des Ansatzes an ihre Gemeinde-Mitglieder zu vermitteln. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass der Ansatz der Lokalen Ökonomie das leicht verständliche Vokabular bietet, um den Commons-Ansatz niedrigschwelliger zu verbreiten.
Kapitel 3
Der Ansatz der Lokalen Ökonomie
Die Supercoop ist ein Paradebeispiel für eine Lokale Ökonomie, die darauf abzielt, die wirtschaftliche Aktivität in der Region zu stärken und die Abhängigkeit von globalen Lieferketten zu reduzieren. Indem sie regionale Produkte bevorzugt und lokale Bäuer*innen unterstützt, schafft sie nicht nur Arbeitsplätze und Einkommen in der Region, sondern fördert auch eine nachhaltige und umweltfreundliche Landwirtschaft.
Die Lokale Ökonomie geht über den reinen Austausch von Waren hinaus. Sie stärkt das soziale Gefüge einer Gemeinschaft, indem sie Menschen zusammenbringt und ihnen die Möglichkeit gibt, sich aktiv an der Gestaltung ihrer lokalen Wirtschaft zu beteiligen. Die Supercoop ist mehr als nur ein Supermarkt – sie ist ein Ort, an dem Menschen sich treffen, Ideen austauschen und gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten.
Lokale Ökonomie zielt auf eine größere wirtschaftliche Unabhängigkeit von globalen und nationalen Einflüssen und somit eine stärkere Resilienz. Die Bedarfe im Gemeinwesen werden mit den Potentialen vor Ort verbunden.
Mit dem recht neuen Konzept der Lokalen Ökonomie hat sich eine weitere Perspektive aufgetan, um regionale Symbiose neu zu denken. Das Ziel dieses Projektes ist es, das Potenzial des Zusammendenkens der beiden Ansätze zu beleuchten, um in Kommunen und Regionen den notwendigen sozial/ökologischen Wandel herbeizuführen.
Kapitel 4
Lokale Ökonomie & Commons
Der Begriff der Lokalen Ökonomie rückt die konkreten Bedürfnisse und Ressourcen einer lokalen Gemeinschaft in den Mittelpunkt und zeigt, wie gemeinschaftliche Strukturen diese nutzen können. Sie übersetzt abstrakte Konzepte wie „Commons“ in greifbare Beispiele wie gemeinschaftliche Gärten oder Reparaturinitiativen. Dadurch wird der Commons-Ansatz für Menschen erfahrbar und anwendbar, indem er aufzeigt, wie gemeinschaftliche Strukturen genutzt werden können, um lokale Bedürfnisse zu erfüllen und gleichzeitig soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen. Auf der anderen Seite kann der theoretisch stark ausgearbeitete Ansatz der Commons und des Commoning den Bereich der Lokalen Ökonomie fachlich unterfüttern.
Projektbeispiele
Kapitel 5
Raum zum Zusammendenken
Die Verbindung von Commons-Ansatz und lokaler Ökonomie eröffnet neue Wege, um nachhaltige und gerechte Wirtschaftsmodelle zu entwickeln. Diese Kombination erkennt die Bedeutung von gemeinschaftlichem Eigentum und lokaler Verankerung an und bietet einen Rahmen, um globale Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit und Ressourcenknappheit auf lokaler Ebene anzugehen. Die Schader-Stiftung und im Heinrich-Böll-Stiftungsverbund sehen die Potenziale dieses Zusammenspiels ebenfalls und fördern die Veranstaltungsreihe „Lokale Ökonomie & Commons„, welche genau diese Ansätze zusammenbringt.
Veranstaltungszeitleiste
Symposium Lokale Ökonomie & Commons
Wissenschaftliche Konferenz: Lokale Ökonomie & Commons
Online-Workshop „Lokale Ökonomie & Commons“
Gemeinschaftliche kommunale Daseinsvorsorge - Lokale Ökonomie und Commoning vor Ort
05.-06.05.23
Symposium Lokale Ökonomie & Commons
"Die Herausforderung des Commoning in der lokalen Ökonomie liegt in der Überwindung traditioneller rechtlicher und begrifflicher Barrieren, um echte Kooperation und nachhaltige Entwicklung zu fördern."
Silke Helfrich
- 72 Teilnehmende vor Ort
- 26 Teilnehmende Online
- 12 Workshops
ausgewählte Symposiumsbeiträge
03.07.23
Wissenschaftliche Konferenz: Lokale Ökonomie & Commons
"Commons sind im Kern eine Lebensform, in der es darum geht, weniger Abhängigkeit von Markt und Staat zu schaffen. Dabei geht es im Kern darum, die Ideen von Freiheit, Fairness und Lebendigkeit zusammenzubringen, und das so zu tun, dass es sich gut anfühlt."
Silke Helfrich
- 39 Teilnehmende vor Ort
- 38 Teilnehmende Online
- 12 Workshops
ausgewählte Konferenzbeiträge
28.09.23
Online-Workshop Lokale Ökonomie & Commons
„Wer die inspirierenden Aktivitäten, die wir in diesem Buch vorstellen, angesichts des Klimawandels und der globalen sozialen Verwerfungen für schmerzhaft winzig empfindet, der verkennt nicht nur, dass es nicht um die Reichweite – geschweige denn die Größe – einzelner Projekte geht, sondern um ihren Kern: um das, was sie ausmacht und was ihre transformatorische Kraft entfalten kann.
Wer das nicht sieht, verkennt auch, was geschieht, wenn eine Saat aufgeht. Das ist, als würde man ein Reis-, Weizen- oder Maiskorn, eine Kartoffel oder eine Bohne betrachten und diese fragen:
Aber bist Du nicht viel zu mickrig, um die Menschheit zu ernähren?“Silke Helfrich
- 30 Teilnehmende Online
- 12 Themenbereiche